LOESCHEN

Züri & Bremgarten / Schweiz
bandcamp

Loeschen s/t LP
500 Ex. (September 2018)
Co-Produktion mit Abfall Records

Proud to be punk:
Als mir Frank von Abfall Records das erste Lebenszeichen dieses Züricher Fünferpacks in die Patschepfote drückte, meinte er nebenbei, für ihn sei deren Sound eine Symbiose aus Bombenalarm und Chaos Z. Dass mich mit Loeschen definitiv kein Friede-Freude-Eierkuchen-Fun-Punk erwarten würde, wurde letztendlich noch dadurch bekräftigt, dass Frank mir zudem die Info steckte, dass bei eben jener Combo Bandpersonal von Ashkara am Start sei, die ja nicht unbedingt für überquellenden Optimismus bekannt sind. Folgerichtig gibt es hier eine ausgesprochen düstere HC-Punk-Mixtur auf die Ohren, die sich über eine Spiellänge von elf Tracks erstreckt, die durch Songparts, welche zwar eine bedrohlich-kühle Atmosphäre erzeugen, ihre eigentliche Intensität aber noch unterdrücken, mitreißende Spannungsbögen erzeugen, die sich letztendlich in derben Wutausbrüchen entladen. Kraftvoll-straighte Drum-Beats, ein finster verzerrter Bass, zwei tiefgestimmte Gitarren und angepisste Hoffnungslosigkeit ausstrahlende Vocals verschmelzen zu einem furchteinflößenden, einerseits von Melancholie, andererseits von Aggression geprägten Sound. Am deutlichsten tritt diese Mixtur für mich im Song „Allei“ („Allein“) zutage, der musikalisch ein unglaublich krasses Maß an Verzweiflung vermittelt und mich textlich an den Chaos Z-Song „Einsam“ erinnert. Gebrochen wird diese Verzweiflung durch die darauffolgende D-Beat-Attacke namens „Für eu nid“ („Für euch nicht“).
Angesichts der genannten, aber auch weiterer Songtitel, wie z.B. „Kein Schritt weiter“, „Knecht“, „Schutt“ oder „Schweigen“ wird klar, dass sich die graue Alltagstristesse aus Verfall und Vereinsamung in einer von stumpfem Konsum und ausbeuterischem Kapitalismus geprägten Gesellschaft wie ein roter Faden durch die schwizerdütschen Lyrics zieht. Sämtliche Songtexte wie auch ihre dazugehörigen englischsprachigen Übersetzungen findet ihr übrigens auf der LP-Innenhülle abgedruckt. Insgesamt eine unglaublich intensive Platte, die hier schon viele Runden drehen durfte und als Co-Produktion mit dem Schweizer Label Rinderherz Records entstanden ist.

Loeschen "Togheter Ahaed" EP
500 Ex. (August 2021)
Co-Produktion mit Abfall Records und Les Nains Aussi

TRUST:
Und noch eine grosse HC-Empfehlung - vielleicht meine grösste in dieser Ausgabe. Erstaunlicherweise aus Zürich. Denn Loeschen klingen so gar nicht nach Schweiz. Das hier ist eine Bombe ohne Vorbilder. Mal höre ich etwas Scandi-Core, mal Poison Idea, mal Hammerhead, aber eigentlich ein eigenes Biest. Verrückt, was die eine Gitarre (von zweien?) da macht. Ich werde mich sofort um das bisher unbekannte sonstige Werk diese Typen kümmern. Könnte sein, dass ich eine neue (Schwyzer)"deutsch"sprachige Lieblingsband habe.

Proud to be Punk:
Vor ein paar Jahren war der Schweizer Verteidigungsminister auf  Staatsbesuch in den USA, wo er „Together ahead“ ins Gästebuch des Weißen Hauses gepinselt und dies anschließend stolz in die Kameras der Medien gehalten hat. Tja, das wäre alles vielleicht gar nicht halb so wild, wenn „Together ahead“ nicht gleichzeitig der Slogan der RUAG, der staatlichen Rüstungsfirma der Schweiz, wäre. Also wieder einmal ein kleines, aber anschauliches Beispiel dafür, wie (Welt-)Politik und (Rüstungs-)Industrie zusammenhängen. Um auf diese Zusammenhänge hinzuweisen und sich im gleichnamigen Song im Zuge kurzer Wortgruppenfetzen gehörig über Verteidigungsministerium und Rüstungsindustrie auszukotzen, haben Loeschen aus Zürich eben jenen Slogan als Titel für ihren zweiten Streich auserkoren, welcher dem 2018 erschienen Komplettalbum folgt. Neben Waffenproduzent_innen bekommt des Weiteren der alltagsrassistische Durchschnittsmob („Unheim“) ebenso sein wohlverdientes Maß an Hass ab wie die Vollschwachmaten, die den Klimawandel und dessen Ursachen leugnen oder im gleichen Atemzug die Fridays For Future-Bewegung diskreditieren („Zuakunft für d`chind“). Nicht minder unmissverständlich fällt das Urteil der Band über diejenigen aus, die sich im kapitalistischen „Streng dich an, dann hast du auchErfolg!“-Normenzwang heimisch fühlen und ihre Friede-Freude-Eierkuchen-Konsumterrorwelt auch noch auf sämtlichen Kanälen breittreten müssen („Rotscher es langt“). Aber auch in den eigenen Reihen wird nicht mit Kritik gespart, wenn Loeschen hängengebliebene Koksnasen-Punx ins Visier nehmen, deren Kopf nur noch zum Spazierentragen eines lichter werdenden Iros, aber nicht mehr zum (selbst-)kritischen und reflektierten Denken taugt („Pulverpunks fuck off“). Anhand der bereits erwähnten Songtitel dürfte schon ersichtlich geworden sein, dass eine Besonderheit dieser Band darin liegt, dass sie ihre Texte in Schweizerdeutsch verfassen. Aber keine Angst – wer nun nur noch Bahnhof versteht, ist zweifelsohne nach der Lektüre der englischsprachigen Übersetzungen schlauer, die ihr auf dem Beiblatt findet. Musikalisch lassen Loeschen an ihrer tiefsitzenden, aus den gesellschaftlichen und politischen Zuständen resultierenden Mischung aus Frust, Verzweiflung und Wut keinerlei Zweifel aufkommen. So brettern die sieben Songs unglaublich ungestüm und angepisst durch die Boxen, wobei mich diese Salve an aggressiv-fiesen HC-Punk-Attacken in ihrer geballten, ungeschliffenen Schroffheit stark an frühe Amen 81 erinnert. Insgesamt ein auf EP-Länge verdichteter Wutausbruch, der zum Ausrasten animiert, sauber!